An diesem Sonntag, der viele dunkle Wolken über Athen brachte, nutzten wir die Gelegenheit für einen Trip in das nördlich von Athen gelegene Bergland, um die mythische Stätte Delphi zu besuchen. Und siehe da – wir hatten Glück mit dem Wetter. 100 Kilometer von Athen entfernt lockerte sich die Wolkenfront, sodass wir den restlichen Tag auf unsere Sonnenbrillen nicht verzichten wollten. Organisiert wurde diese Fahrt von ESN (European Student Network), die ab und an solche Ausflüge anbieten und für 10 € war das ein unschlagbarer Deal. Leider dauerte die Hinfahrt alleine drei Stunden, aber mit 7 Bussen und über 350 Studenten wird es nie langweilig!
Die Aussicht mit dem bergigen Panorama war traumhaft. Hinzu haben wir einen ziemlich großen Stau verursacht in einer kleinen Stadt, die den Anschein erweckte, als wäre sie in den Fels hineingeschlagen worden. Mit 7 Bussen durch solche enge Gassen zu navigieren – Respekt an die Busfahrer!
Delphi repräsentiert eine der bedeutungsvollsten Kultstätten Griechenlands, gelegen am Abhang des Parnass hoch über dem Golf von Korinth. Vielleicht zunächst ein paar Worte zur mythologischen Herkunft: Apollon war ein Sohn des Göttervaters Zeus und der Leto. Hera, die überaus eifersüchtige Gemahlin des Zeus und höchste der Göttinnen, gab dem Angst einflößenden Drachen Python, der das Orakel der Erdmutter Gaia in Delphi bewachte, den Auftrag, Leto sowie ihre Nachkommenschaft umzubringen. Als Apollon von dieser Verschwörung erfuhr, tötete er umgehend den Drachen und wurde demnach zum Herrn des Orakels. Seither wird Apollon, der Gott des Sonnenlichts, der Dichtkunst und der Musik, in dem neben Olympía wichtigsten griechischen Heiligtum als Gott der Weisheit verehrt. Apollon sprach zu den Rat suchenden Gläubigen, die häufig Könige und andere gut situierte Persönlichkeiten waren, durch die Pythia, eine Priesterin. Sie saß im Tempel über einer kleinen Erdspalte, aus der narkotisierende Dämpfe aufstiegen und die Priesterin in Trance versetzten. Das Trügerische an ihren Weissagungen war die Ambivalenz und die Undurchsichtigkeit, sodass keine Eindeutigkeit gegeben war.
Zunächst habe ich mich für einen kurzen Abstecher in das Museum entschieden, um anschließend die Sonne umso länger genießen zu können. Das wohl berühmteste Ausstellungsstück des Museums ist die spätarchaische lebensgroße Bronzestatue eines Wagenlenkers. Erhalten sind ferner ihre originalen Augen aus Emaille und farbigen Steinen. In einigen Vitrinen wurden dazu Reste des dazugehörigen Viergespanns gezeigt.
Die Heilige Straße führte dann direkt durch das Apollon-Heiligtum. Der erste Abschnitt dieser Straße wurde von zahlreichen Weihgeschenken gesäumt. Von den Skulpturen, Statuen und Denkmälern sind allerdings nur noch die Basen erhalten. Danach passiert man mehr als 20 Schatzhäuser, in denen einst die Weihgaben vor der Witterung, aber auch vor Diebstahl geschützt aufbewahrt wurden, darunter das um 510 v. Chr. in Form eines Tempels errichtete Schatzhaus der Athener, welches von 1903 bis 1906 rekonstruiert wurde.
Der Tempelvorplatz des Apollon-Tempels wird von dem von der Insel Chíos gestifteten und teilweise wieder aufgebauten Altar und von sechs rekonstruierten Säulen dominiert. In der Vorhalle des Tempels waren Sprüche der Sieben Weisen angebracht, darunter der berühmte apollinische Imperativ: „Erkenne dich!“ Am Berghang oberhalb des Tempels stand die Bronzestatue des Wagenlenkers, die bei einem Erdbeben 373 v. Chr. Von herabstürzenden Erdmassen bedeckt wurde.
Über Treppen ging es weiter hinauf zum 5000 Sitzplätze fassenden Theater, bei dem Umbauten bis in die römische Zeit vorgenommen wurden. Schon fast außer Puste führte der bergige Weg weiter nach oben bis zum Stadion, in dem bis zu 6500 Menschen Platz fanden. Vieles ist nur noch fragmentarisch erhalten, aber die Sitzstufen der Nordseite mit den Ehrensitzen, die halbrunde Sfendone im Westen und Teile des Eingangs im Osten haben die Zeiten überdauert. Vor allem das Stadion erinnert an die in Delphi seit 590 v. Chr. stattfindenden Pythischen Spiele. Dabei handelte es sich um musikalische und athletische Wettkämpfe, zu denen auch die im Hippodrom unten im Tal ausgetragenen Wagenrennen gehörten.
Nach diesem Ausflug ging es für einen zweistündigen Abstecher zurück in die Stadt, in der wir mit dem verursachten Stau auf uns aufmerksam machten. Dieses beschauliche, verzaubernde Städtchen mit Namen Arachova ist nicht nur aufgrund seiner Nähe zu Delphi touristisch geprägt. In den letzten Jahrzehnten hat es sich zudem infolge des Aufbaus von Wintersportanlagen am Berg Parnassos zu einem der modernsten und größten Ski-Orte Griechenlands entwickelt. Unter den Griechen zählt dieser Ort als der beste, um Souvlaki zu essen. Dies ließen wir uns nicht zweimal sagen und begaben uns umgehend auf die Suche nach einem Restaurant. Leider waren die meisten zum Bersten gefüllt – Ja, mit 350 Studenten kann man einen ganzen Ort überfordern. Nach 40 Minuten hatten wir dann endlich ein nicht allzu volles Lokal gefunden und wir wurden nicht enttäuscht, auch wenn es diesmal kein Hühnchen, sondern nur Schweinefleisch war. Gestärkt und hoch motiviert ging es dann die Treppen hinauf zur höchst gelegenen Kirche des Ortes. Der Blick schweifte über die roten Dächer der Stadt hin in die Ferne zu der imposanten Bergkulisse. Es war wirklich traumhaft!!
Auch in der Literatur findet dieser Ort Erwähnung: „Αν αγναντέψεις και την δεις θα σε μαγέψει ξένε, και άμα ρωτήσεις θα σου πουν Αράχωβα τη λένε!“ – „Falls Du Dein Blick mal dorthin werfen solltest und sie siehst, wird sie Dich verzaubern Fremder - und solltest Du fragen welche Stadt das ist, man wird ‚Arachova‘ antworten!“ (Georgios Siros)
Letztlich ging es im Anschluss wieder drei Stunden zurück nach Athen. Der geplante Haltepunkt war eigentlich der Syntagma-Platz. Aufgrund einer erneuten Großdemonstration musste uns der Bus jedoch woanders raus lassen. Es war so schön, einen Tag von allen Streiks und Einschränkungen im öffentlichen Leben verschont zu sein. Und schon hatte der Athener Alltag wieder Einzug in mein Leben genommen! Leider!
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