Samstag, 29. Oktober 2011

Ochi-Tag – ein Tag wie jeder andere?

Heute ist der 28. Oktober und somit Nationalfeiertag in Griechenland. Nach dem 25. März, an dem die Unabhängigkeit Griechenlands gefeiert wird, ist dies der zweitwichtigste Feiertag des Landes. Üblicherweise werden Militärparaden und Studentenumzüge an diesem Tag organisiert und alle öffentlichen Gebäude mit griechischen Flaggen geschmückt.
Der Ochi-Tag (griechisch: Επέτειος του «Όχι», Epétios tou Ochi, Jahrestag des „Nein”) manifestiert sich als Anlehnung an die Verweigerung des von Mussolini am 28. Oktober 1940 an Griechenland gestellten Ultimatums. Inhalt des Ultimatums, dem diverse Provokationen seitens Italiens vorausgegangen waren, war die Forderung an Griechenland, zu kapitulieren und die Besetzung strategisch wichtiger Positionen durch das Dritte Reich und seine jeweiligen Verbündeten, also insbesondere Italien zu gewährleisten. Der griechische Diktator Ioannis Metaxas verweigerte dessen Annahme angeblich nur mit dem einen Wort „οchi“ (όχι, „Nein”) mit der Folge, dass drei Stunden später italienische Truppen von Albanien aus in den Norden Griechenlands einmarschierten und Griechenland, das bis dahin Neutralität bewahrt hatte, zur Kriegspartei auf Seiten der Alliierten machte. Doch griechische Streitkräfte drängten die Italiener nach kürzester Zeit wieder hinter die albanischen Ausgangsstellungen zurück.
Nach dem Einmarsch italienischer Truppen am Morgen des 28. Oktober solidarisiert sich die griechische Bevölkerung ungeachtet ihrer politischen Couleur durch “Ochi“-Rufe mit Metaxas, dem ansonsten keine uneingeschränkte Sympathie galt. Auch heute höre ich die unverkennbaren „Ochi“- Rufe, wie sie von den Griechen auf dem Syntagma-Platz skandiert werden. Nur mit etwas anderer Bedeutung: Sie sollen der Regierung ein „Nein!“ entgegnen als Zeichen gänzlicher Ablehnung aller beschlossenen Sparmaßnahmen. Es zeigt sich also selbst an diesem nationalen Feiertag mit dem Ausdruck tiefster Deutlichkeit, dass Streiks, Demonstrationen und damit leider auch gewalttätige Ausschreitungen mittlerweile an der Tagesordnung hier in Athen stehen. Die Polizeipräsenz ist überwältigend. Das meiste Eskalationspotential, wie ich es heute mit den eigenen Augen wahrnahm, ging von den Polizisten aus, die ohne Vorankündigung beginnen, die Demonstranten zurückzudrängen und einzukesseln und dabei nicht auf Gewalt verzichten.

Ein Mann bewältigte es schließlich, sich durch die Wand aus Polizisten durchzukämpfen und ist fast bis zu den Treppen des Parlamentes gekommen, dann jedoch wurde er gepackt und in die Gefangenenzellen neben dem Parlamentsgebäude gebracht. Ich hatte glücklicherweise genau den richtigen Zeitpunkt erwischt, um die Straßenseite zu wechseln, sodass ich diese Aufnahmen aus nächster Nähe  machen konnte.



Bei meinem Streifzug durch die demonstrierenden Menschen lernte ich eine ältere Frau aus Kalifornien kennen, die in New York lebt. Sie verglich witzigerweise die momentane Situation in Griechenland mit großen Aktionen des Aufbegehrens  in ihrem Heimatland. Mit ihrer griechischen Flagge in der Hand, sah sie fast wie eine urtypische Einheimische aus, mit der Überzeugung, ein Ziel vor Augen zu haben, dass nur durch permanente allgegenwärtige Streiks erreicht werden kann.

Kein Tag ist ein gewöhnlicher in diesen Zeiten – auch kein Nationalfeiertag!!

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