Endlich gewähre ich euch Einblicke in die NTUA, meine Universität, die ausgeschrieben den Titel National Technical University of Athens trägt. Natürlich kann ich nicht nur Urlaub machen und tolle Geschichten erleben, sondern muss auch einige Veranstaltungen besuchen. Generell gilt die NTUA in Griechenland, die Ingenieurswissenschaften betreffend, als die renommierteste Hochschule. Ferner ist sie die älteste Technische Universität Athens. Im Griechischen heißt sie: Εθνικό Μετσόβιο Πολυτεχνείο. Das für mich recht eindrucksvolle Universitätslogo sieht so aus:
1836 gegründet bildet sie heute 10 000 Studenten aus und verfügt über 9 Fakultäten und ca. 1 400 wissenschaftliche Angestellte. Der größte Teil der Fakultäten und Einrichtungen befindet sich auf einem Campus im Vorort Zografou (Ζωγράφοu) am östlichen Stadtrand von Athen.
Der historische Altbau in der Innenstadt, den ihr auf diesem Foto seht, wird durch die Fakultät für Architektur genutzt. Zumal befindet sich dieser Teil des Campus nur 15 Gehminuten von unserer Wohnung weg, sodass ich dort auch gut Abendessen kann und das gänzlich kostenlos, von Montag bis Freitag. Auf diesem Areal habe ich auch zwei- bis dreimal die Woche meinen Griechisch-Kurs.
Aber nun etwas ausführlicher zu meinem derzeitigen universitären Zentrum, dem Campus in Zografou: Wenn ich die komplette Strecke mit dem Bus fahre und es herrscht ziemlich dichter Verkehr, kann die Fahrt auch mal locker eine Stunde oder länger dauern. Da die Busse hier total überladen sind, macht das nicht immer viel Spaß. Ich vermeide es lieber, lange Zeit gequetscht wie in einer Ölsardinenbüchse zuzubringen. Die Universitätsgelände hier in Griechenland sind generell recht groß, sodass auch Buslinien direkt im Campus fahren.
Dieses Gebäude mit der griechischen Flagge ist die zentrale Anlaufstelle für alle meine Probleme. Dort befindet sich das Erasmusbüro für alle ausländischen Studenten. Glücklicherweise kümmern sie sich alle sehr liebevoll um uns, ich kann mich hier gar nicht allein gelassen fühlen *gg*. Etwas unpraktisch sind die vielen Ausweise, die ich nun in meinem Portemonnaie ständig mit mir rumführen muss, jeder einzelne mit Foto: Eine Mensakarte, ein Studentenausweis provisorisch auf A4-Papier (ich warte immer noch auf meinen elektronischen Ausweis; das System haben sie hier erst dieses Semester eingeführt), einen Bibliotheksausweis, einen Ausweis, um die öffentlichen Verkehrsmittel vergünstigt nutzen zu können und wenn ich Sportkurse besuchen will, bekomme ich noch zusätzliche Ausweise. Nun ja, wenn die Entwicklung an der Freiberger Uni weiterhin so reaktionär voranschreitet, haben wir dort bald das gleiche Problem *lol*.
Besonders interessant ist das Mittagessen in der Mensa. Anfangs war es noch unproblematisch, weil wir teilweise nur zu fünft im Speisesaal saßen, aber mittlerweile haben fast alle Fakultäten den regulären Betrieb aufgenommen, sodass es 14 Uhr (ja selbst das ist für griechisches Mittag sehr zeitig) brechend voll werden kann, allerdings nicht so voll wie in Freiberg, da hier nicht allzu viel Studenten regelmäßig in die Mensa gehen. Das Problem ist dabei nicht, zu lange auf sein Essen warten zu müssen oder keinen Platz mehr zu finden. Nein, einen Platz findet man schnell, nur keinen Stuhl. Es sind vielleicht dreimal so viele Plätze vorhanden wie Stühle, sodass die Studenten vielfach ihr Essen holen, einen Platz suchen und dann stehend mit Argusaugen verharren, bis sie einen Studenten gesichtet haben, der im Begriff ist, aufzustehen, um umgehend seinen Stuhl zu nehmen. Das ist schon äußerst skurril, sich dieses Schauspiel anzusehen und dann selbst auf Stühlejagd zu gehen. Das Essen ist nicht besonders abwechslungsreich, aber wenigstens gibt es stets drei Gänge.
Dieses Gebäude hier ist die Bibliothek der NTUA, einige wenige deutsche Bücher gibt es hier, etwas mehr englische, aber das meiste verständlicherweise auf Griechisch. Leider stehen hier Unmengen unbenutzter PCs herum, die einfach nicht funktionieren und die Bücher sind ferner nach Autoren und nicht thematisch geordnet, sodass sich das Auffinden artverwandter Literatur als äußerst schwierig gestaltet, denn längst nicht alle Bücher sind im Webkatalog integriert. Außerdem, besonders erstaunlich und unverständlich für mich, Bücher kann ich hier nur eine Woche ausleihen und das hat folgende Bewandtnis: Die Studenten erhalten ihre eigenen Exemplare der Lehrbücher für die jeweilige Veranstaltung kostenlos, dürfen diese Bücher allerdings auch behalten. Für mich schleierhaft, wie das der Stadt finanziert. So benötigen die Studenten nur ab und zu andere Bücher, um sich erweitertes Wissen anzueignen oder lediglich etwas nachzuschlagen, was die Leihfristen der Bücher auf eine Woche beschränkt. Wahrscheinlich spielt auch der Aspekt eine Rolle, dass sie hier generell nicht so viele Exemplare haben.
Hier seht ihr mal das große Studentenwohnheim auf meinem Campus. Beim ersten Anblick dachte ich, ich hätte mich verguckt. Es erweckte eher den Anschein, eine Auffangstation für sozial deklassierte Familien zu sein, aber kein Studentenwohnheim. Als ich das sah, war ich recht froh, dort keinen Platz bekommen zu haben und in einer WG zu wohnen. Aber abgesehen von diesem Wohnheim gibt es auch noch modernere.
Dies ist ein Einblick in ein Übungszimmer. Sehr kalt und heruntergekommen, aber es gibt auch bessere, mit Sicherheit. Auf dem anderen Bild seht ihr einen meiner tschechischen Mitbewohner (Radek) und meinen griechischen Buddy, Christina. Das Buddy-System ist ein System, welches für Erasmusstudenten eine Erleichterung mit sich bringen soll. Jeder ausländische Student hat die Möglichkeit, einen griechischen NTUA-Studenten an die Hand zu bekommen, der ihm bei allen Formalitäten und anderen universitären Problemen unter die Arme greift. So etwas wie ein privater Mentor eben. Sehr zu empfehlen und äußerst praktisch, vor allem da fast alle Webseiten, auf denen man sich registrieren muss, auf Griechisch sind.
Eine weitere Besonderheit an griechischen Universitäten und aufgrund historischer Ereignisse vor allem an der NTUA ist die Tatsache, dass die Universität sehr eng an politische Belange geknüpft ist, sodass selbst jede Fakultät ihre eigenen politischen Parteien hat und für mich teilweise der Eindruck entsteht, als würden sich viele Studenten mehr mit Politik in ihrem Land als mit ihrem eigentlichen Studienfach beschäftigen. Dieser Aspekt deutete sich bereits in der dritten Woche an, als wir einer politischen Abstimmung in der Fakultät des Chemieingenieurwesens beiwohnten. Dort wurde darüber abgestimmt, ob die Fakultät an dem großen Streik auf dem Syntagmaplatz teilnimmt. Diese Woche sprach ein renommierter Wirtschaftsfachmann, der dem linken Flügel angehört, über die aktuelle europäische, insbesondere griechische Situation. Zum Glück hatte ich Christina und ihren Freund dabei, die mir die Hauptthesen ins Englische übersetzen konnten. Er war davon überzeugt, dass die Rückkehr zur Drachme keine adäquate Lösung ist. Einerseits würde es sich dann zwar um eine schwache Währung handeln und Griechenland könnte preiswert exportieren, nur der essentielle Gesichtspunkt ist: Griechenland hat keine großartigen Produkte zum Exportieren, sodass sich dies nie rentieren würde. Weiterhin schlug er vor, die Tourismusbranche von Steuern zu entlasten, dass mehr Touristen nach Griechenland kommen, um mehr Geld in die Kassen zu spielen. Dies halte ich jedoch nicht für realisierbar, denn ich habe das Gefühl, dass aufgrund der gesamten politischen Situation ebenso der Tourismus in Griechenland einbricht. Ich kenne viele, die in diesen kritischen Zeiten bewusst nicht nach Athen reisen. Eine Vergünstigung der Reisekosten betrachten die meisten nicht als Tribut für ihr Wohlergehen im Wohnungsland.
Nun noch kurz zu meinen universitären Veranstaltungen: Ein Modul, das ich belege, heißt Steel Bridges. Dabei bin ich in ein Projekt mit 5 anderen griechischen Studenten involviert, wobei wir die Aufgabe haben, eine Stahlbrücke zu entwerfen und zu berechnen – und das Ganze mit deutscher Software. Yeah!!! Da komm ich zum Zuge mit der Übersetzung! Dieses Projekt macht 70 % der Note aus, die restlichen 30 % werde ich mit einer mündlichen Prüfung auf Deutsch abschließen. Ja, ihr habt richtig gehört, auf Deutsch. Der Professor spricht sehr gut Deutsch, sodass dies möglich ist und er mir dies anbot. Ein weiteres Fach ist Topics on Architecture, worin wir ein Familienhaus designen müssen. Das wird, denke ich, recht spannend. Zumal der Professor nicht mal Englisch spricht *lol*. Nur Griechisch! Daneben belege ich noch Tunneling Engineering, Town and Regional Planning und Hydraulic Structures – Dams. Mal schauen, wie diese Module so werden. Bis jetzt haben einige dieser Veranstaltungen noch nicht mal begonnen. So, das ist der erste Einblick für euch in meinen úniversitären Alltag gewesen. Ich werde euch auf dem Laufenden halten!!
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