Dienstag, 25. Oktober 2011

Streiks und Demonstrationen erobern Athen!!!

Jetzt werde ich euch zum ersten Mal nach den bisherigen urlaubstypischen Berichten und Fotos Einblicke in das alltägliche Leben in Athen zeigen.



Zunächst sollte man in Anbetracht der derzeitigen kritischen politischen und wirtschaftlichen Situation in Griechenland sein doch so geliebtes deutsches Leben (Man lernt es hier erst wirklich zu schätzen ;-)) an das folgende Motto anpassen: Rechne jederzeit mit einem Streik und dass du im schlimmsten Fall kilometerweit nach Hause laufen musst, wenn mal wieder alle im Kollektiv streiken: Züge, Trolleys, Busse, Bahnen, Metro und die Taxis. Rechne auch damit, dass du auf der Straße laufen musst, notfalls angefahren wirst, weil die Gehwege mit Müllbergen überhäuft sind. Ja, denn auch die Müllabfuhr streikt seit Wochen und mancherorts fängt es langsam ziemlich zu stinken an. Aber nicht nur das: Anwälte, Ärzte, Lehrer – alle beteiligen sich. Das ganz alltägliche Leben wird binnen Minuten zum Chaos. Das schwierige daran ist, dass manche Streiks erst ein paar Stunden vorher angekündigt werden: Man fährt beispielsweise zur Uni und hat nachmittags Probleme wieder nach Hause zu kommen.
Die ersten Streiks, die ich mitbekam, war gleich in der allerersten Woche, als David sich bereits am Strand die Sonne auf den Bauch prasseln ließ und ich versuchte, auch noch an den Strand zu kommen: Vergeblich! Die Straßenbahngesellschaft entschied dann kurzerhand, ihre spontane Streikaktion auszuweiten. Einen anderen Tag waren wir am Syntagma-Platz in der Metro-Station und uns kamen bereits einige vermummte Menschen entgegen, die sich versucht haben, vor dem Tränengas zu schützen. Kurze Zeit später fingen unsere Augen an, zu brennen und zu tränen. Nein, das war nicht wirklich angenehm. Vermutlich setzt sich das Tränengas nach den Attacken in den Metrostationen fest.

Die gemütlich anmutenden Käfige, die ihr hier seht, sind als kurzzeitiger Aufenthalt für über-die-Strenge-schlagende Demonstranten vorgesehen. Das Gebäude im Hintergrund ist das griechische Parlament. Einerseits sollte man sich aufgrund der immensen Polizeipräsenz sicher fühlen, andererseits habe ich jedoch mittlerweile den Eindruck, dass Polizisten hier überhaupt keine Autorität haben, wenngleich sie sich selbst als Herrscher Athens sehen wollen. Dieses Renommee hat ja zuletzt aufgrund gewisser Tendenzen auch in Deutschland sehr gelitten, nur ist es nichts im Gegensatz zu den Umständen hier in Athen. Korruption steht hier vielfach noch an der Tagesordnung: Sodass ein Polizist, der mit dir ein Problem hat, durchaus von dannen ziehen kann, wenn du ihm 50 € in die Hand drückst.
Letzten Mittwoch und Donnerstag waren die bisher größten Protestkundgebungen und Demonstrationen nicht nur seit Beginn der Schuldenkrise, sondern seit Jahrzehnten. Leider blieb Athen dabei auch nicht von Ausschreitungen verschont, wie ihr im deutschen Fernsehen verfolgen konntet.
Am Vorabend dieser Streiks war auch meine Universität betroffen: Die politischen Vertretungen der einzelnen Fakultäten entschieden, ob sie an den Protesten teilnehmen werden. Dies ist ein Blick in den Hörsaal, in dem im Anschluss die Abstimmung mit Handzeichen ablief.
Am Mittwochabend traf ich mich mit zwei griechischen Freunden auf dem Monastiraki-Platz und wir suchten uns ein gemütliches Café mit Freisitz. Zunächst schien alles ganz entspannt und friedlich zu sein und wir unterhielten uns angeregt. Die Streiks und gewaltsamen Ausschreitungen auf dem Syntagma-Platz fühlten sich weit weg an. Doch kurze Zeit später sahen wir Rauchschwaden über dem Monastiraki-Platz hängen und die ersten Polizisten ließen nicht lange auf sich warten. Als wir dann Schreie, Trommeln und Schüsse hörten, nahmen wir ebenso unsere Beine in die Hand. Das ganze Problem dabei ist, dass es hier keine Maßgaben gibt, wie ein Protestzug zu laufen hat. Wenn sich die ersten denken, wir laufen jetzt am besten nach links, dann laufen alle nach links. Als wir dann auf dem Monastiraki-Platz mit Umwegen ankamen, sahen wir folgende Szenerie vor uns: Einige aggressive Demonstranten haben mit Molotow-Cocktails Scheiben zerstört und fingen an, die von der Müllabfuhr zurückgelassenen Berge aus Plaste, Papier und Lebensmitteln anzuzünden.

Dann begann die Situation zu eskalieren, sodass wir uns trennen mussten. Ich versuchte, direkt von diesem Platz knappe 2 Kilometer nach Hause zu rennen. Ich war so froh, die Tür hinter mir zuschlagen zu können und endlich in sicherer Umgebung zu sein, oder zumindest ungefährlicher als auf den Straßen. Eine meiner Mitbewohnerin, Veronika aus der Slowakei, hat doch tatsächlich an diesem Tag ihren Sprachkurs gehabt. Bei uns haben sie bewusst alles ausfallen lassen. Sie stand 1,5 Stunden nachdem ich den Platz verlassen hatte, auch dort und wir telefonierten gerade, bis Demonstranten den Platz von der Stromversorgung kappten und Panik ausbrach. Glücklicherweise ist auch sie einige Stunden später wieder heil zu Hause angekommen. Erleben kann man hier tatsächlich einiges!! Nur nicht gerade empfehlenswert!
Hier seht ihr mal ein aktuelles Bild des Müllberges direkt an der Seite unseres Hauses:
Heute streiken schon wieder die Metro, einige Busse, Anwälte, Ärzte und einige andere – daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen.

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